7 mars 2013

Lars Ahlin und das soziale Leben der schwedischen Kleinstadt

Lars Ahlin wurde am 4. April 1915 als Sohn des Handelsreisenden Gustaf Ahlin und dessen Frau Jenny Lannerstedt in Sundsvall geboren und starb am 10. März 1997 in Stockholm. Ahlin war mit der Schriftstellerin Gunnel Maria Hellman (Gunnel Ahlin) verheiratet.

Als Lars Ahlin drei Jahre alt war, sog die Familie nach Stockholm, wo die Mutter den Vater mit den gemeinsamen sieben Kindern wegen einem jüngeren Mann schnell im Stich ließ, wenig später die Scheidung ausgesprochen wurde und der Vater erst 1922 Tina Jakobsson heiratete, die ebenfalls zwei Kinder mit in die Ehe brachte, mussten sich die sieben Kinder einige Jahre lang allein zurechtfinden, denn die Arbeit des Vaters erforderte lange Abwesenheiten.


Nach eigenen Erzählungen wurde Lars Ahlin im Slumviertel Sundsvalls geboren und als er im Alter von sieben Jahren zurückkehrte, so war er für die anderen Bewohner der nordschwedischen Stadt der Stockholmer geworden, was eine gewisse Distanz markierte. Das Verhältnis zwischen Vater und Sohn Ahlin kann man als schwierig bezeichnen, was der Schriftsteller auch in mehreren seiner Bücher sehr deutlich zum Ausdruck bringt ohne jedoch die Ursachen zu erklären.

Da die Familie relativ arm war, war es selbstverständlich, dass Lars Ahlin unmittelbar nach der Volksschule zu arbeiten begann. Insgesamt versuchte er sich in sicherlich zehn verschiedenen Berufen, wobei eine Anstellung in der kommunistischen Zeitung Norrlands-Kuriren vermutlich diejenige Arbeit war, die ihn der Schriftstellerei noch am nächsten brachte. Seine tatsächliche Bildung beschaffte sich Ahlin von 1932 bis 1935 an der Ålsta Volkshochschule in Sundsvall und im Selbststudium. Als er seine Studien an der Volkshochschule abgeschlossen hatte, verließ der Autor die Heimatstadt endgültig und siedelte sich in Stockholm an.

Nach mehreren abgelehnten Manuskripten begann die literarische Karriere von Lars Ahlin im Jahre 1943 und sein Buch Tåbb med manifestet erschien, denn auch wenn dieses erste Werk stilistisch noch nicht ausgereift war, so wurde es kurz vor dem Ende des Zweiten Weltkriegs sehr positiv aufgenommen und machte den Schriftsteller nur wenig später auch zu einem der bedeutendsten Repräsentanten der schwedischen Nachkriegsliteratur.

In Tåbb med manifest findet man indes bereits nahezu alle Elemente, die man später in den Folgebüchern von Lars Ahlin wiederfindet, denn seine handelnden Personen sind immer Randfiguren der Gesellschaft und die tragende Aussage bleibt immer, im marxistischen Sinne, dass alle Menschen gleich viel wert sind und man daher auf niemanden negativ herabsehen sollte, auch wenn die sozialen Voraussetzungen nicht für alle gleich sind.

Diese Einstellung kommt bei Lars Ahlin jedoch nicht nur aus seiner politischen Einstellung, sondern auch von seiner religiösen, denn im Gegensatz zu der Mehrheit der Schweden, wuchs er im Geiste der römisch katholischen Kirche auf. Diese religiöse Einstellung, die in allen Büchern des Schriftstellers zum Ausdruck kommt, geht teilweise auch in anderer Weise bis zur Jugend des Schriftstellern zurück, denn um an eine Bibliothek zu kommen, schloss er sich den Pfadfindern der KFUM an, die der Heilsarmee nahesteht und die klassischen christlichen Werte hoch hält. Die meisten Bücher, die Ahlin daher geprägt haben, waren von einer religiös konservativen Gruppe ausgewählt, die einen großen Wert darauf legte, dass die Leser dieser Bücher auch den „richtigen“ Weg einschlagen.

Die Handlungen seiner Romane legt Lars Ahlin in eine erfundene Stadt, die jedoch merkwürdigerweise immer dem Sundsvall seiner Jugend ähnelt. Zusätzlich findet man nahezu immer autobiographische Züge, die mit den Jahren lediglich etwas verschlüsselter werden.

Wie viele Autoren seiner Epoche will Lars Ahlin in seinen Romanen keine Illusionen und Träume verkaufen, sondern das realistische Leben, eine Wirklichkeit in der die handelnden Personen in einem sozialen Gefüge existieren, das jedoch alles andere als ideal für alle ist, da die Gesellschaft von Konventionen, Vorurteilen und vorgefassten Meinungen dominiert ist. Auch wenn die Natur in den Romanen und Novellen Ahlins vorkommt, so ist sein literarisches Zentrum die Kleinstadt in der viele sich als ausgestoßen fühlen, da die Kleinstadt immer eigene Regeln aufstellt.

Kein Literaturwissenschaftler stellt heute in Zweifel, dass Lars Ahlin zu den bedeutendsten schwedischen Autoren der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts zählt, aber viele fragen sich noch heute wie er diesen Ruf und Ruhm erreichen konnte, denn es ist schwierig einen Zugang zu seiner ideellen Welt des Religionssozialismus zu finden, in dem überall die Grenzen der gesellschaftlichen Ordnung sichtbar werden, zudem sich der Autor seines Einflusses bewusst war und diesen auch in vielen Hinsichten auszuüben versuchte.

In Erinnerung an Lars Ahlin bietet Sundsvall heute einen Wanderweg zur Enddeckung des Schriftstellers an an dem man 14 Stellen entdecken kann, die für Ahlin von Bedeutung waren oder nach der Auslegung seiner Bücher für ihn wichtig waren, auch wenn Ahlins Stadt ein Symbol für alle schwedischen Kleinstädte sein sollte, da ihm nicht die Orte wichtig waren, sondern der Seelenzustand seiner handelnden Personen, der mehr von Missverständnissen als von Verständnis geprägt ist.

Copyright: Herbert Kårlin


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